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dranbleiben!
Dr. Uwe Alkemper

Culture Clash - Agile Projekte im klassischen Umfeld

Unterschätzte Stakeholder - Die Entscheidung über Erfolg oder Mißerfolg eines bedeutenden Digitalisierungsprojektes liegt manchmal nicht in der Hand des agilen Kernteams.

Die Beteiligten

Wenn ein agiles Projekt gestartet wird, dann wird einigen der an dem Projekt beteiligten Personen, den sogenannten Stakeholdern, oft wenig oder keine Beachtung geschenkt. Genau diese Personen sind aber oft im weiteren Projektverlauf entscheidend für den Erfolg oder Mißerfolg, die Unterstützung oder den Widerstand, wenn es um ein bedeutendes Digitalisierungsprojekt geht.

Der Einzug agiler Softwareentwicklung hat vor etwa 20 Jahren eingesetzt. Die Mitarbeiter:innen in entscheidenden Positionen etablierter Konzerne und Unternehmen wurden - wie ich selbst - jedoch oft noch geprägt, als klassisches Projektmanagement professionalisiert wurde und Six Sigma, Lean Management, Matrix-Organisation und andere damals innovative Ansätze die Firmenkultur prägten.

Aufgrund meiner Ausbildung und meines Tatendrangs war ich damals fest davon überzeugt, dass die jeweils neuesten Management-Lehren unverzüglich Einzug auf allen Unternehmensebenen halten müssen. Fassungslos musste ich vor dem Widerstand von einigen Vorgesetzten (:innen gab es fast nicht) kapitulieren. Mir fehlte als junger Berater einfach das Einfühlungsvermögen und das Verständnis für die unterschiedlichen Lebensläufe bzw. Erfahrungen bei den entscheidenden Personen.

Ich sage dies, weil ich in allen großen Unternehmen, in denen ich bislang gearbeitet habe, beide Lager vorfinde: das Lager der agilen (Entwicklungs-) Projekte bzw. Teams und das Lager der historisch gewachsenen Prozesse, Strukturen und Denkweisen. Da die Umsetzung des agilen Manifests einen massiven Paradigmenwechsel beinhaltet, sind Vorbehalte und Frontenbildung vermutlich nicht ganz zu vermeiden und ein maßgebliches Risiko in der IT.

Möglicherweise werden wir in der nächsten Generation auf agile Projekte genauso (herab-) schauen wie es heute moderne Teams auf althergebrachte Arbeitsweisen tun. Daher werbe ich in meinem Projekten immer für Zurückhaltung und Wertschätzung, wenn es um Be- und Verurteilung von Methoden und gelernten Verfahren geht. Egal ob agil oder nicht. Egal ob heute oder in der Zukunft.

Respekt und Wertschätzung als Erfolgskriterium

Aus eigener Erfahrung habe ich gelernt, dass man die Kultur eines Unternehmens nicht durch ein einzelnes agiles Projekt umkrempeln kann. 

Wir können einzelne Personen als Product Owner, Business Analyst etc. mitnehmen. Andere Personen sind von sich heraus überzeugt, da sie die Steuerung der Teams, die Einbeziehung der Kunden und das Vorgehen im Anforderungsmanagement im agilen Umfeld überzeugt. 

Wir müssen aber berücksichtigen, dass sich ganz wesentliche Prozesse im Unternehmen nicht an ein agiles Entwicklungsprojekt anpassen werden. Diese sogenannten “Constraints” stellen Rahmenbedingungen dar, die wir berücksichtigen müssen, wenn wir unser Projekt nicht unnötig gefährden wollen.

In einem anderen Blog-Artikel werde ich mich dem Thema widmen, was diese Constraints für das Aufsetzen des Entwicklungsprojekt bedeuten und wie man damit im Projektverlauf umgeht. An dieser Stelle möchte ich aber die Menschen in den Fokus stellen.

Bei einem bedeutenden Digitalisierungsprojekt gibt es, wie erwähnt, viele erfolgsentscheidende Verantwortliche. Dazu gehören neben Finanzen und Controlling oft auch Einkauf, HR, Compliance & Risk Management, Datenschutz, Revision, Vertrieb und Support, um nur einige zu nennen.

Aus den Projektteams höre ich oft Kritik an dem unnötigen Overhead, dem fehlenden Verständnis oder den langen Prozesslaufzeiten bei Budgetierung, Beschaffung usw. Einiges an dieser Kritik ist auf das fehlende Verständnis der Vorgaben oder den Impact auf das Gesamtunternehmen zurückzuführen. Keine Abteilung hat das Ziel, seinen Aufwand zu maximieren oder die Durchlaufzeiten zu erhöhen.

Wenn man einmal den von den Aufsichtsbehörden vorgegebenen Prozess zur Risikobewertung im Versicherungswesen selbst erfahren hat, kann man nachvollziehen, dass dieser und andere Unternehmensprozesse nicht einfach umgestellt werden können.

Umso wichtiger ist es für jedes geschäftskritische agile Projekt, dass ein oder mehrere Vermittler dabei sind, die auch im nicht-agilen Umfeld die entsprechenden Erfahrungen mitbringen und auf Augenhöhe mit den o.g. Abteilungen über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten.

Ich bin davon überzeugt, dass diese Vermittler immer auch eine fachliche Aufgabe haben sollten. Das ist wesentlich wertvoller als Mitarbeiter für das reine Projektmarketing abzustellen. Wenn es sich um ein wesentliches Digitalisierungsprojekt handelt, dann fallen auch immer umfangreiche Aufgaben bei Budgetierung, Controlling, Change und Supplier Management an, die diese Vermittler als natürliche Ansprechpartner für die genannten Abteilungen prädestinieren.

Die wichtigste Eigenschaften, die jede am Projekt beteiligte Person mitbringen sollte, sind meiner Ansicht nach aber Respekt und Wertschätzung im Umgang, sowohl im eigenen Team als auch gegenüber den verantwortlichen Stakeholdern. Das zeigt sich im direkten Umgang aber auch bei Diskussionen in Abwesenheit dieser.

Augen auf bei der Teamzusammenstellung

Mir ist aufgefallen, dass Projektmitarbeiter oft rein nach fachlichen Kriterien, Verfügbarkeit und Kosten ausgewählt werden. Das ist einfach und nachvollziehbar.

Wenn ich selbst ein Projektteam zusammenstelle, dann bin ich bei diesen Parametern oft deutlich flexibler als wenn es über einen formalen Einkaufs- oder HR-Prozess laufen muss. Dann kenne ich meine idealen Projektmitarbeiter und bin bereit, Abstriche bei fachlichen Kriterien, Verfügbarkeit oder Kosten zu machen um dafür ein optimales Gesamtteam zusammenzustellen. 

Das kann bedeuten, dass ich auf ein Teammitglied 4 Wochen warten muss, da es noch anders gebunden ist oder dass ein höherer Verrechnungssatz anfällt, der aber gerechtfertigt ist, da die Person effizienter ist bzw. mehr Erfahrung in dem Kontext mitbringt.

Sträflich vernachlässigt wird bei dem Einsatz von Externen oft das Thema des Cultural Fit mit dem Unternehmen. Das zeigt sich oft erst im Projektverlauf, wenn die Wertesysteme nicht übereinstimmen. Ein Symptom für einen sehr guten Fit ist für mich auf der anderen Seite, wenn Entscheidungsvorlagen und Vorstandspräsentation in Sprache, Umfang und Tiefe der Inhalte ohne viel Abstimmung genau den Nerv des Unternehmens treffen.

Aus meiner Sicht vertrauen wir heutzutage mehr auf Zertifikate, Fortbildungsnachweise und Skill-Kataloge als darauf, uns ein eigenes Bild zu machen und die Person auch einmal hinsichtlich ihrer Werte und Ethik wertzuschätzen.

Wir freuen uns auf Euer Feedback!

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